Biberjagd April 1995 Norwegen: Kleiner Nager mit edlem Pelz
Biberjagd – ein lange gehegter Wunsch: Mit dem Fingerrücken als Scheibenwischer streife ich die störenden Regentropfen von der Brille und ziehe meinen Poncho enger um mich. Das Wetter ist wieder typisch für meine Besuche in Norwegen : Schön bei der Ankunft und strömender Regen ab dem ersten Jagdtag. Aber die Biberjagd verlangt Geduld und gute Ausrüstung.
Nur gut, daß nach der Früh- und Spätpirsch eine urgemütliche solide Hütte ohne elektrischen Strom mit offenem Ofen und reichlich Holz zum Trocknen der pitschnassen Klamotten auf uns wartet. Jetzt im Zelt zu hausen, wäre ein Alptraum.
Doch schon wieder reißt mich das jähe Durchbrechen der dünnen verharschten Schneedecke und Versinken bis zur Hüfte im weichen Schnee aus meinen Gedanken. So hatte ich mir die Biberjagd Ende April wahrlich nicht vorgestellt.
Dabei hätte ich es eigentlich besser wissen müssen. Schon einmal habe ich versucht, einen Biberpelz in meine Sammlung einzureihen. Damals war ich im Mai in Schweden bei einem verzögerten Frühjahrsbeginn auch an der Kälte und damit der Unlust der Biber, ihre heimelige Burg zu verlassen, gescheitert. Außer wunderschönen Pirschen und dem Kentern des Kanus an einer Stromschnelle, einem eisigen Bad im Lodenmantel und nachfolgendem Dauerlauf in triefend nassen Kleidern über rund 8 Kilometer über Eis und Schnee bis zum flußab an einer Brücke wartenden Freund, gab es von der ersten Biberjagd nichts Nennenswertes zu berichten.
Der Fehlschlag hatte mein Begehren nach des Bibers Pelzwerk aber nur verstärkt. Nun hatte ich endlich wieder Zeit und Gelegenheit zur Pirsch auf den europäischen Biber gefunden.
Zwar hatten einige meiner Freunde nur von oben herab gelächelt, als ich begeistert von meinem Plan berichtete und gemeint ” Was, die zahmen Viecher willst Du schießen, wozu denn das ?” Sie kannten allerdings nur die relativ vertrauten Biber der Sommermonate Kanadas und Alaskas.
Der europäische Biber ist zur Jagdzeit von Mitte Oktober bis Ende April-Anfang Mai wenig aktiv und recht scheu.
Mein erster Erkundungsgang in dieser weitabgelegenen Region an der Grenze zu Schweden, in der noch Bären leben, führt an einem Wildbach kilometerweit aufwärts. Das Vorwärtskommen ist sehr mühselig, im weichen Schnee bricht man immer wieder hüfttief ein. Ich bedauere, daß ich meinen Bergstock nicht mithabe. Die vielen moosbewachsenen Steine und tiefen morastigen Löcher, die unsichtbar unter dem Schneedecke liegen, gehen auf die Kniegelenke !
Nach einer guten Stunde erweitert sich das Flüsschen. In einer 40 Meter weiten Stelle liegt eine Biberburg. Massenhaft frisch mit dem typischen Doppelkerbenschnitt gefällte Birken und leuchtende Nagestellen an den Baumstämmen zeugen von einer starken Kolonie. Anblick haben mein norwegische Freund und ich leider nicht. Die Biber machen sich rar, bei der kühlen Witterung haben sie wenig Lust, ihren Pelz zu zeigen.
Weitere 200 Meter flußaufwärts liegen die Fundamente einer uralten Brücke, von dem man guten Blick auf einen breiten Biberausstieg hat. Bei gutem Wind ist dies ein günstiger Ansitzplatz !
Ich verweile eine halbe Stunde, doch dann gebe ich um 7 Uhr 30 auf und stapfe eine Stunde erst im Schweiße meines Angesichtes quer durch den urwaldartigen Kiefernbestand, dann auf einem Holzabfuhrweg bis zur Straße.
Die Landschaft ist urwüchsig. Nur weite Kiefernwälder mit kleinen Seen und Wildbächen, die zu tosenden Flüsschen werden, erstrecken sich bis zum Horizont. Einzelne Bären, reichlich Luchse und viele Elche ziehen hier ihre Fährte. Auerwild und Birkwild sitzt auf der Erdstraße und nimmt Steinchen auf. Überall kollert es, die Balz des Birkwildes ist ganztägig vernehmbar im vollen Gang. Der feste Lehmweg, der sich 40 Kilometer durch das große Jagdgebiet erstreckt, wird immer weicher und matschiger infolge des Dauerregens.
Der Regen läßt nicht nach, den ganzen Tag fällt ein feiner, pene-tranter Niederschlag. Dabei gehört Elverum mit nur 600 Millimeter Jahresniederschlag zu den trockensten Regionen Norwegens. Wir sind bis auf unsere auf der Innenseite immer noch trockene, netzartige Unterwäsche aus Polypropylen nass, können aber dank der schönen Hütte mit ihrem Holzofen alles auf schnell gespannten Leinen trocknen. Famos ist die Konstruktion von Eisenstangen um das Abzugsrohr des Holzofens. Da haben die Textilien genug Abstand voneinander und von der Strahlungshitze des Ofenrohrs und trocknen im Nu.
Abends stapfe ich um 19 Uhr den Stichweg bergauf, um mich am Brückenpfeiler mit Blick auf den starken Biberausstieg aus dem tosenden Fluss anzusetzen. Leider sind zwei Jäger vor mir. Trotzdem mühe ich mich durch den Schnee und hoffe, daß sie vor dem Ansitzplatz aufgeben. Meine Rechnung geht auf, sie kennen das Gelände nicht und brechen 300 Meter vor der Biberburg ihre Pirsch ab. Ich sehe sie am Hang zurückgehen.
Nun sitze ich ungestört, leider allerdings auch von Getier ungestört – es läßt sich kein Biber blicken. Das Wetter ist ihnen wohl zu kalt. Sie können allerdings auch weiter unten ungesehen in den Wald schlüpfen, in dem die Birken kreuz und quer von ihnen gefällt sind und die Rinde abgenagt ist.
Um 21 Uhr 20 gebe ich naß und unterkühlt auf und mache mich auf den langen Heimweg. In der Hütte werden die triefenden Sachen wieder auf die Seile gehängt und das Feuer entfacht.
Aus Deutschland war eine Flasche Whisky mitgekommen, der geht es jetzt an den Kragen. Das wärmt die klammen Glieder wieder auf.
Der nächste Morgen findet mich schon im ersten zaghaften Tageslicht um 5 Uhr am See, gegenüber einer frischen Nagestelle. Vidar hat sie ausgemacht und mich hier plaziert. So müßte ich unter gutem Wind auf meinem Rucksacksitzstuhl warten können.
Leider ist der empfohlene Platz zu weit seeabwärts von der Biber-burg. Dort sehe ich einen Biber schwimmen und auswechseln ! Als ich meinen Platz verlege, kommen nur Enten geschwommen, da habe ich mich wohl getäuscht. Ich ziehe wieder zum alten Platz – nur um den Biber diesmal ganz deutlich bei der Burg an Land gehen zu sehen ! Hätte ich bloß mehr Geduld gehabt.
Der erneute Stellungswechsel bringt keinen weiteren Anblick mehr, die morgendliche Aktivitätsperiode bei der regnerisch-kühlen Witterung ist anscheinend wieder zu Ende..
Um 6 Uhr 30 stapfe ich zur Straße, Vidar will mit mir noch an einem anderen Platz pirschen.
Fünf Kilometer schlingern wir im klappernden Auto weiter im dank des Dauerregens zunehmend schwerer zu passierenden Lehm und pirschen dann zum Fluß. Als Vidar mir das Gelände zeigt und erklärt, wie wir einen Seitenarm umgehen können, um zu einer Äsungsstelle zu gelangen, rinnt ein Biber aus der 100 Meter links vor uns liegenden Burg flußab. Wir beobachten, wie er weitere 100 Meter entfernt an Land geht und unter einer tiefbeasteten Kiefer verschwindet. Ich pirsche sehr vorsichtig durch das Gestrüpp von Birkenjungwuchs auf dem weichen, mit Moos und Heide bewachsenen Boden nach. Als ich wieder durchs Glas spähe, habe ich ihn auf 100 Meter noch am gleichen Fleck, im Schlagschatten des Baums kaum zu erkennen, vor mir. Vidars dünner Zielstock, der mir als Bergstockersatz beste Dienste leistet, kommt mir sehr gelegen, da ich stehend freihändig schießen muß. Der Schuß der Mauser 98 6,5 x 55, 8 Gramm Tmtl wird so eben hingewackelt – der Biber rührt sich nicht mehr.
Endlich konnte ich ihn erbeuten, Ich bin glücklich. Es ist ein ausgewachsener, ca. 22 Kilogramm schwerer Biber. Das Geschlecht kann man erst nach dem Aufbrechen feststellen, die Geschlechtsorgane sind im Körper und münden in die Kloake.
Nach reichlich in allen möglichen Posen geschossenen Fotos wird der Biber im Rucksacksitzstuhl verstaut und zum Auto getragen. Vor der Hütte schlage ich ihn aus dem Balg, das geht nur Schnitt für Schnitt, besonders an der schuppigen Kelle.
Die hat ihn wahrscheinlich in Mitteleuropa an den Rand der völli-gen Ausrottung gebracht. In einem Gutachten der theologischen Fa-kultät Paris wurde er im Mittelalter nämlich als Fisch eingestuft und somit als Fastenspeise in der Fastenzeit vor Ostern zugelassen. Also stellte ihm damals wegen des Pelzes, des teuer bezahlten Wildbrets und des berühmten Bibergeils jeder eifrig nach.
ibergeil ist eine harzige Masse aus den hodensackgroßen Drüsen links und rechts vom After, die viel Salizin aus der Weidenrinde enthält. Über 200 Medikamente wurden im Mittelalter damit bereitet.
Vidar fährt zur Waldarbeitersiedlung, er muß die linke Hinterrad-aufhängung schweißen lassen. Schon die ganze Zeit schleifte es immer stärker werdend. Sie ist an einer Seite gerissen !
Ich habe noch einen Biber frei und versuche es abends wieder an dem kleinen See. Diesmal setze ich mich um 20 Uhr direkt am Seeufer der Biberburg an und rücke jeweils 10 Minuten sitzend langsam näher an die Burg. Der Biber kommt spät raus und sitzt auf seiner Burg ! Ich hatte mich gerade vorher umgestellt, damit ich den schmalen Streifen offenen Wassers zwischen Seeufer und Eis seeaufwärts besser im Blick hatte und kann ihn nur schemenhaft im Gezweig ausmachen.
Ich pirsche vorsichtig vor, aber der Biber ist mißtrauisch geworden und schwimmt vor dem Eis hin und her. Schließlich taucht er weg und nach einigen Minuten höre ich es 100 Meter seeabwärts kräftig klatschen. Er hat sich dort Witterung geholt und als Alarmzeichen beim Abtauchend kräftig mit dem langen Schwanz aufs Wasser geschlagen.
Pech für mich, Glück für den Biber.
Heute bin ich weniger naß geworden, es nieselte nicht so stark , und ich mußte nicht weit bis zum Ansitzplatz laufen. Der leichte Tarnponcho der amerikanischen Armee ist prima, allerdings werden die Knie naß und das Wasser läuft von dort in die Stiefel. Ich brauche Beinlinge für verregnete Jagdausflüge !
.Beim Treffpunkt hält auch ein Mitsubishi mit zwei norwegischen Jägern, sie haben bisher noch keinen Biber gesehen. Die Straße ist weggeschwemmt, sie können nicht in ihre Hütte und übernachten bei uns. Mit leuchtenden Augen nehmen sie unseren freigiebig eingeschenkten Whisky an. Wir werden morgen versuchen, nach Norden aus dem Gebiet herauszukommen. Hoffentlich werden wir es in unserem klapprigen Gefährt auf der schlammigen Piste schaffen.
Der letzte Morgen bricht ausnahmsweise mit klarem Himmel an. Noch einmal werde ich es am Biberbau am See versuchen. Die Chancen zum Ansitz sind gering, da ich gestern den Biber vergrämte. Ich werde von dort flußauf pirschen.
Das Wasser hat eine dünne Eisschicht, es ist kälter geworden. Damit verringert sich die Biberaktivität auch weiter. Heute abend ist sicher viel los, dann hat sich das Wasser durch die freiwerdende Sonne bei aufreißender Wolkendecke erwärmt. Aber da lande ich schon in Hamburg ! Pech.
Die Mitsubishi-Jäger schießen zweimal flußaufwärts Richtung Damm. Sie erlegen jeweils ein ca. sechs Kilogramm schweres Jungtier.
Meine Pirsch ist sehr schön; immer wieder muß ich über moosbewachsene Findlinge klettern oder durch kreuz und quer liegende, von den Bibern gefällte Birken turnen. Obwohl frische Späne die nagende Aktivität meines Wildes verkünden, habe ich keinen Anblick, es ist zu kalt.
Zurück an der Hütte streichele ich zufrieden den schönen Balg meines starken Bibers. Interessant sind die Hinterpfoten des Nagers. Abgesehen von den Schwimmhäuten haben sie beim vierten Zeh einen doppelten, aufeinanderstehenden Zehennagel. Damit pflegen die Biber ihren feinen Pelz und kämmen die Haare von Kletten aus.
Nach einem gründlichsten Großreinemachen mit nassem Aufwischen – so sauber war die Hütte lange nicht mehr !- fahren wir auf der inzwischen etwas abgetrockneten Straße nach Norden und kommen auch gerade so durch. Wir atmen auf, als wir heil wieder auf den Asphalt sind.
Schön war es ! Das mache ich wieder, es ist eine attraktive Jagd.
Kosten : DM 540 Super Flieg und Spar Flug von Hamburg nach Oslo und 400 DM für die Jagd + 50 Jagdschein. April 1995