Jagd auf Pronghorn in Wyoming

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Jagd auf Pronghorn

Pronghorn
Mittelalter Pronghorn Bock

Endlich, die Anreise aus Deutschland ist lang und verläuft in Etappen – und nun schwebt das letzte Flugzeug dieser Odyssee über der eher eintönig öden Provinzstadt Casper im nördlichen Wyoming ein.

Im Flughafen stimmt mich gleich eine ausgestopfte Pronghorn auf die kommenden Jagdtage ein. Allerdings trägt sie extrem lange Schläuche. Diese Stärke ist außerordentlich, auf das Erlegen einer solchen Antilocapra americana kann man sicher nicht hoffen.

Der folgende Morgen findet uns erwartungsvoll im Geländewagen meines amerikanischen Freundes auf dem Weg zur Ranch. Die trockene, leicht rollende Landschaft liegt noch im Dunkeln. An vielen Pisten verraten leuchtende Rücklichter die Präsenz anderer Jäger.

Auf diese muß man bei der Jagd mit rasanten Kalibern in offenem Gelände Rücksicht nehmen ! Erleichtert wird es durch die gesetzliche Vorschrift, eine leuchtend orangerote Mütze oder Jacke zu tragen. Das Wild sieht keine Farben, dem Jäger fällt aber sofort der grelle Farbklecks im Hintergrund auf.

In den USA ist fast alles überdimensioniert, besonders gilt dies für Landbesitz im Mittleren Westen. Die Ranch, auf der wir jagen dürfen, mißt 24 mal 30 Kilometer !

Bald ist es hell, die ersten Pronghorn kommen in Anblick. Ich bin begeistert: Die Antilopen in der leicht hügelig gewellten, trockenen Steppe mit ihrem kurzem Gras und niedrigen Beifuß Büschen   auf englisch “sage brush”  erinnern mich an die Jagd auf Gazellen in den Steppen Asiens und Nordafrikas.

Der Sage brush ist kein Salbei, sondern Beifuß und riecht dementsprechend sehr aromatisch. In vielen Berichten wird er immer falsch als Salbei übersetzt. Die englischen Wörter “sage” und “sage brush” kennzeichnen allerdings verschiedene Pflanzen.

Die rotbraunen, weiß gefleckten Antilopen mit ihrem massigen Gehörn erwecken den Eindruck von Kraft und Anmut. Zur Zeit ist Brunft, überall sieht man die Böcke laufen und suchen, es ist sehr viel Bewegung in der Steppe. Schon gleich am Anfang unseres Jagdgebietes zieht noch in der Dämmerung ein sehr guter Bock über den Hang. Ich springe aus dem Wagen und versuche, ihn anzupirschen. Es gelingt glücklicherweise nicht, sonst wäre die Jagd gleich vorbei gewesen – und der Erinnerungswert gering.

Mein Führer will sich an einem Berg ansetzen und von dort aus mit dem Spektiv einen guten Bock ausmachen, den ich dann anpirschen solle. Der Plan behagt mir wenig. Bei dem schnell ziehenden und so scharfäugigen Wild ist ein Anpirschen in der deckungsarmen Landschaft wenig aussichtsreich. Ich rechne mir bei einer Pirsch – mit hier und dort in Beifußbüschen Verhoffen – mehr Chancen aus. Meinem Führer ist es recht, er muß noch zur Wildbehörde und versuchen, einem anderen Jäger ein Duplikat seiner kostbaren Lizenz zu besorgen. Der Unglücksrabe hatte die so schwer errungene Erlaubnis in der Hektik der Abreise in Europa gelassen.

Voller Freude über die gewonnene Freiheit pirsche ich los.

Der Wind ist scharf, allerdings kündet der stahlblaue Himmel vom Anbrechen eines prächtigen Tages.

Es ist unglaublich, wie unverhofft die Antilopen in dem welligen Steppenland auftauchen. Man muß beim Pirschen und selbst, wenn man in den niedrigen Büschen in guter Deckung sitzend abglast, höllisch aufpassen. Wenn man aufsteht und gerade weiterpirschen will, steht bestimmt wieder ein Bock sichernd im toten Winkel oder zieht suchend über einen Dünengrat. Der Boden ist sandig mit spärlichem Grasbewuchs und gelegentlich eingestreuten, kleinen Opuntien. Die Kakteen wachsen in kleinen Erdtrichtern und ragen kaum über das Niveau des Bodens.

Hasen und Erdhörnchen flitzen hinter den Büschen weg, es ist ständig Leben um mich. So reiche Wildgründe, ohne meilenweit Zaun oder Gatter zu sehen, gibt es selten !

 

Gut, daß wir phantastisches Wetter – purer Indianersommer – haben. Es macht richtig Spaß, sich auf dem sandigen Boden zu wälzen. Der steife, alles durchdringende Wind bläst zwar immer noch, aber die wärmende Sonne macht alles wett. Immer wieder pirsche ich gebückt bis zum nächsten Wellenkamm und suche von dort vorsichtig das Gelände ab. Die Antilopen sind rege unterwegs, wieder und wieder tauchen sie aus eben noch sorgfältig abgeglasten Tälchen auf. Ich versuche, talabwärts zu dem Hügel zu pirschen, hinter dem der gute Bock vom Morgengrauen verschwand.

Aber ich habe keine Chance, dauernd muß ich in dem deckungsarmen Tal wieder zu Boden gehen und neu vorbeiziehende Antilopen ansprechen. Die Böcke sind auf der Suche nach brunftigen Tieren und rennen zum Teil im Stechschritt oder Galopp über weite Distanzen, um weibliche Stücke zu beschnuppern.

Wieder habe ich plötzlich auf 100 Meter einen Bock mit Tier vor mir. Sie haben mich aber genauso schnell bemerkt und äugen unverwandt zu mir her. Ich spreche ihn als zu jung an, könnte aber auch kaum schießen. Kniend oder hockend, hoch aufgereckt, freihändig allenfalls auf den Träger zu halten, wäre ein Va Banque Spiel. Ich fotografiere ihn mit dem Teleobjektiv. Als ich mich dann nach hinten in tieferes Gelände wälze, um in Deckung zu pinkeln, wechseln unverhofft vier Pronghorn mit einem jungen Bock auf mich zu. Sie bemerken mich gleich, sind aber unschlüssig, ob dieses komische, kniende Wesen eine Gefahr ist und ziehen neugierig näher.

Neugierde ist bekannt als eine ihrer charakteristischen Eigenschaften. Grzimek  berichtet, daß die weißen Siedler im Wilden Westen dies ausnutzten und sich mit den Beinen strampelnd auf den Rücken legten, wenn die Antilopen flüchteten. Die Pronghorn zogen dann neugierig bis auf Schußweite der Vorderlader heran und wurden eine leichte Beute.

Auch zu mir kommt der junge Bock bis auf 50 Meter heran. Schade, daß ich zum Pinkeln nur das Gewehr und nicht auch die Fototasche mitnahm !

Das nach links buschiger werdende Dünengebiet birgt viele Maultierhirsche. Immer wieder hat man weibliches Wild und gelegentlich einen Hirsch im Glas. Schade, daß ich keine Lizenz auf Maultierhirsch beantragt habe, das hätte man doch ideal kombinieren können.

Gut einen Kilometer vor mir zieht ein Sprung mit einem stärkeren Pronghorn-Bock auf einen Hang und verteilt sich dort zum Äsen. Der Bock scheint kapital zu sein. Den werde ich mich mir näher anschauen und versuchen, ihn anzupirschen. Leicht wird es bei dem ihn schützenden, scharfäugigen Harem nicht werden !

Zwei Kilometer schräg hinter mir äst auf einem Grat ebenfalls ein starker Bock. Selbst auf diese Entfernung kann ich die Masse zwischen den Lauschern ausmachen. Aber leider steht der Wind ungünstig, ich müßte auf fünf Kilometer umschlagen. Also werde ich es erst einmal bei dem “Haremsbock” versuchen.

Plötzlich erscheinen zwei Hänge hinter ihm fünf amerikanische Jäger. Ihre vorgeschriebenen roten Mützen lassen sie sofort sichtbar werden.

Die Antilopen müßten, durch die Jäger hochgemacht, zu mir flüchten. Ich robbe über den Kamm auf den abgewandten Hang der in ihrer Richtung verlaufenden Bodenwelle und pirsche fünfhundert Meter weiter in ihre Richtung.

Als ich mich zwischen Salbeibüschchen wieder auf den Grat vorschieben will, um sie zu beobachten, erscheint schon rechts von mir in einem Kilometer Entfernung eine einzelne Antilope. Sie sichert ins Tälchen herunter und kommt im Galopp angefetzt. Der Bock zieht auf 300 Meter im Halbkreis auf einer Bodenwelle unterhalb an mir vorbei. Ich kann ihn gut ansprechen. Er hat bis zur Gabel dicke, schwarze Hörner.

Die Faustregel beim Abschätzen der Trophäenstärke und damit des Alters lautet, daß die Gabelvorwölbung – englisch Prong – mindestens so hoch wie die Lauscher sein sollte. Wenn die restliche Hornlänge noch einmal eine Lauscherlänge beträgt, ist der Bock gut. Viel zählen gut gehakelte Schlauchenden.

Leider hat der vor mir ziehende Bock nach der Gabel nicht mehr viel Hornlänge. Ich will mir nicht voreilig die Chance verderben, schließlich bekommt man nur eine Lizenz – und dies mit Müh und Not – und ich habe drei Tage Zeit.

Je länger ich den vorbeiziehenden Bock betrachte, desto mehr glaube ich allerdings, einen starken vor mir zu haben. Die Gabelung setzt sehr hoch, erst nach fast zwei Lauscherlängen an !

Gut ist er sicher, und mit seinen pechschwarzen, dicken Schläuchen reizt er mich sehr. Ich muß mich sputen, er hat seinen Halbkreis um meine Düne fast beendet und kommt außer Schußweite.

Das Hochrasanzkaliber 6,5 x 68 S gewährt ein beruhigendes Gefühl bei weiten Schüssen, ich brauche keine ballistischen Berechnungen anzustellen und halte im oberen Drittel des Blattes an.

Leider ließ ich mir von meinem amerikanischen Freund ein Zweibeinstativ aufdrängen und vor allem direkt am Riemenbügel am Lauf anschrauben.

Der Schuß bleibt ohne Wirkung – außer daß die Antilope in gestreckter Flucht abgeht. Das direkt am Lauf angeschraubte Dreibeinstativ ließ den Schuß hochfedern.

Verdammt, ich repetiere, ziehe mit und lasse, diesmal wieder wie üblich mit den Ellenbogen auf den Knien aufgestützt, fliegen, als der Bock auf der nächsten Bodenwelle langsamer wird.

Pronghorn flüchten ohne zu verhoffen. Das bei ihren nächsten Verwandten, den Gams, so typische Haberl nach kurzer Flucht, das schon viele das Leben kostete, machen sie nicht.

Glücklicherweise sitzt der Schuß diesmal, dumpfer Kugelschlag verrät den Treffer. Die Antilope wird langsamer und steht noch dreißig Sekunden, dann liegt sie.

Glücklich, aber doch unsicher, ob ich nicht zu voreilig einen mittleren Bock gestreckt habe, eile ich zu ihm.

Donnerwetter, da hätte ich fast die Chance meines Lebens auf Pronghorn laufen gelassen ! Vor mir liegt ein Kapitalbock, die Amerikaner bezeichnen den “Lebensbock” als “the buck of a lifetime”.

Das ist er sicher. Sehr dicke, pechschwarze, leicht geperlte Schläuche recken sich hoch auf, die Gabel beginnt erst nach zwei Lauscherlängen und die Gesamtlänge beträgt traumhafte 16 1/4 inch = 41,28 Zentimeter ! Das ist der stärkste Bock, der in den sechs Jahren, die mein Freund auf dieser Ranch jagt, zur Strecke kam ! Glücklich sitze ich in der warmen Sonne auf dem sandigen Boden und freue mich über das relativ schnelle Waidmannsheil.

Es ist bei dieser Wilddichte leicht, zu Schuß kommen, aber einen starken Bock auf der Pirsch selektiv zu erlegen, fällt bei dem scharfäugigen Wild sehr schwer.

Ein zusätzlicher Bonus winkt mir auf dem Rückmarsch, als ich das ausgelöste Wildbret zu dem verabredeten Treffpunkt trage. Ich treffe dank des außerordentlich warmen Wetters auf drei Klapperschlangen, die ich mit dem Stock erlegen kann. Ihre attraktiven Rasseln und eindrucksvollen Giftzähne sind mir eine weitere bleibende Erinnerung an eine spannende Jagd im “Wilden Westen”.

Klapperschlangen gibt es reichlich, sie werden von den Ranchern verfolgt. Mein Gastgeber ist daher auch sehr erfreut und lädt mich fürs kommende Jahr wieder ein. Gern sage ich zu !