Schuß im Gebirge – Bergfieber

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Schuß im Gebirge – Auszug aus Bergfieber

Bergjagd

Schuß im Gebirge – das erfordert Nachdenken. In Höhenlagen gelten besondere Regeln. Mehrere entscheidende Faktoren wirken sich auf die Geschoßbahn aus.

A ) ENTFERNUNGSSCHÄTZUNG
B ) ERDANZIEHUNG
C ) SCHUSSWINKELBEDINGTE FLUGBAHNÄNDERUNG
D ) HÖHENBEDINGTE FLUGBAHNÄNDERUNG

A) ENTFERNUNGSSCHÄTZUNG :
Das Entfernungsschätzen ist jenseits von 100 Metern oft sehr schwierig und ungenau. Man kann es üben, indem man 100, 200 und 300 Meter im Gelände exakt ausmißt und sich die Verkleinerung von Objekten einprägt. Dabei geht man von der gewohnten 100 Meter Distanz aus und sucht sich markante Punkte in dieser, doppelter und dreifacher Entfernung. Hinterher schreitet man den tatsächlichen Abstand ab und wundert sich über die Fehlschätzungen.
Entfernungsmesser sind leicht und günstig. Simples Modell anschaffen!

B) ERDANZIEHUNG:
Beim waagerechten Abfeuern des Geschosses beschreibt es in der jagdlichen Schußentfernung von 0 bis 300 Metern eine Kurve, die man sich wie eine umgekehrte Untertasse vorstellen kann. Die Erdanziehung wirkt senkrecht auf die stark beschleunigte Geschoßmasse und zieht sie nach unten. Je langsamer die Fluggeschwindigkeit wird, desto stärker wird diese Kraft und desto steiler fällt die Flugbahn.
Die Größe der Erdanziehung ist abhängig von der Entfernung zum Erdinneren. Je weiter man in die Höhe steigt, desto geringer wird sie und damit ihre niederzwingende Einwirkung auf das Geschoß.
Außerdem ändert sich durch die verringerte Erdanziehung die bremsend auf die Kugel wirkende Luftdichte. Verringerte Luftdichte in der Höhe bremst daher weniger und führt, besonders bei schweren Geschossen, zum längeren Beibehalten hoher Geschwindigkeit.
Allerdings ist ein schwereres Geschoß windempfindlicher als ein leichteres, da die Flugzeit des schweren Geschosses größer ist und damit die Einwirkungszeit des Seitenwindes länger anhält.
Alle Faktoren zusammen bewirken eine gestrecktere Flugbahn je weiter man aufsteigt, das Geschoß fällt weniger.

Um die ohnehin schwer nachzuvollziehende Flugbahn weiter zu komplizieren, spielt auch die Querschnittsbelastung – QB – eine Rolle. Dieser nebulös klingende Wert ist leicht zu ermitteln: Die Querschnittsbelastung erhält man, indem das Geschoßgewicht durch den Geschoßquerschnitt geteilt wird.
Eine hohe Querschnittsbelastung bewirkt eine größere Eindringtiefe im Wildkörper. Sie wirkt sich aber auch auf die Flugbahn aus. Eine hohe QB bedeutet gestrecktere Flugbahn.

C ) SCHUSSWINKELBEDINGTE FLUGBAHNÄNDERUNG :
Schießt man nicht waagerecht, sondern in einem Winkel zur Erdoberfläche, sinkt die Einwirkung der Anziehungskraft, die Flugbahn des Geschosses wird also gestreckter – rasanter. Dies macht sich bei steigendem Winkelschuß mit entsprechend zunehmender Erhöhung der Flugbahn bemerkbar.
Daher hat der bekannte Spruch “Rauf und Runter, halte drunter” bei weiteren Entfernungen eine gewisse Berechtigung. Allerdings darf man das Motto nicht schematisch anwenden, sondern muß sich ungefähr des Winkelgrades und der Entfernung bewußt sein. Je größer der Winkel wird, desto stärker klettert die Treffpunktlage nach oben. Auf 100 Meter kann man die Flugbahnänderung selbst bei steilsten Schüssen vernachlässigen, sie wirkt sich nur bei weiteren Schüssen aus.

Die Treffpunktlageerhöhung beim Winkelschuß ist ebenfalls abhängig von der Geschwindigkeit des Geschosses. Allgemein haben schwere, langsame Geschosse eine stärkere Erhöhung.

TABELLE ZUM WINKELSCHUSS :
Crapahute Repetierbüchse mit konstruktionsbedingt 6,3 Zentimeter hoch montiertem Zielfernrohr.
Kaliber .300 Winchester Magnum
Geschoß: 200 grain = 13 Gramm Mega E401
Ladung R 905 RWS 5333, 74 grain
Vo 920 m/s = 3018 f/sec
Fleckschuß auf 300 Meter,
auf 100 Meter 11,5 Zentimeter,
auf 200 Meter 14,7 Zentimeter Hochschuß

Flugbahnänderung bei verschiedenen Schußwinkeln: .300 Winchester Magnum

Grad Treffpunktlage in Entfernung Differenz (Diff)

Grad 100 m Diff 200 m Diff 300 m Diff

0° + 11,5 cm +0,00 cm + 14,7 cm + 0,00 cm + 0,0 cm +.0,0 cm
30° + 12,3 cm +1,15 cm + 18,3 cm + 3,6 cm + 8,8 cm + 8,8 cm
45° + 13,2 cm +2,05 cm + 22,6 cm + 7,9 cm +19,3 cm +19,3 cm
60° + 15,4 cm +4,25 cm + 28,5 cm +13,8 cm +32,9 cm +32,9 cm

Flugbahnänderung beim maximalen Winkelschuß von 60 Grad in 3.000 Meter Höhe gegenüber Meereshöhe, angegebene Differenz zu waagerechter Schußabgabe ! :

Grad 100m Diff 200 m Diff 300 m Diff

In 3.000 m Höhe:
60° +14,17 cm +2,67 cm +26,52 cm +11,82 cm +30,9 cm +30,9 cm

In Meereshöhe:
60° +15,4 cm +4,25 cm +28,50 cm +13,80 cm +32,9 cm +32,9 cm

Fazit : Auf 100 Meter kann man die Differenz zwischen der Treffpunktlage beim waagerechten und beim Winkelschuß vernachlässigen, sie beträgt beim maximalen Schußwinkel 60 Grad lediglich knapp vier Zentimeter Flugbahnerhöhung, bei 200 Metern Schußentfernung immerhin schon knapp 14 Zentimeter und bei 300 Metern Schußentfernung gar 33 Zentimeter.
Ganz hervorragend kann man die verschiedenen Haltepunkte mit dem Computerprogramm der DEVA durchspielen und dabei Winkel, Entfernung und Seitenwind verändern. Da staunt man über den Sitz der Kugel.
Im Gebirge auf 3.000 Meter Höhe wirkt sich die flachere Flugbahn beim Winkelschuß nur minimal aus. Der zweite Tabellenteil zeigt, daß die TPL bei 60 Grad auf 100 Meter eineinhalb Zentimeter, bei 200 Meter zwei Zentimeter und auf 300 Meter ebenfalls zwei Zentimeter niedriger zum Winkelschuß in Meereshöhe liegt.

D ) TREFFPUNKTLAGEERHÖHUNG IN GRÖSSERER HÖHE
Der Artillerist Walter Lampel, Autor des Klassikers unter den Ballistikbüchern, hat schon vor dem Zweiten Weltkrieg praktische Schießversuche im Wendelsteingebirge durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in einem heute vergriffenen Büchlein “Der Schuß im Hochgebirge” dokumentiert. Die Tabellen werden angezweifelt, sie scheinen Übertragungsfehler zu enthalten. Daher beziehe ich mich auf die reichhaltige, durch zahlreiche Experimente belegte amerikanische Literatur.
Die Einwirkung der verringerten Erdanziehung und vor allem des abnehmenden Luftwiderstands ergibt gegenüber dem Haltepunkt in Meereshöhe bei zunehmender Höhe einen sich vergrößernden Hochschuß. Dieser fällt allerdings deutlich geringer aus als beim Winkelschuß und macht sich in der Praxis nur bei Schußentfernungen um 300 Meter bemerkbar. Bei langsameren Geschossen steigt die Treffpunktlage in der Höhe stärker als bei schnelleren.
In der Höhe ändert sich zusätzlich infolge der absinkenden Temperatur der Gasdruck der Pulverladung. Alle Faktoren zusammen führen zu einer deutlichen Änderung des ballistischen Koeffizienten des betreffenden Geschosses.
Dieser ballistische Koeffizient gibt die Form des Geschosses wieder, er ist bei der Berechnung der Flugbahn im Computer nötig. Dort kann man die variablen Werte eingeben und in Sekundenschnelle die entsprechenden Flugbahnen berechnen lassen.
Dabei zeigt sich, daß die Veränderung der Flugbahn durch einen Höhenunterschied in üblichen Schußentfernungen zu vernachlässigen ist. Sie beginnt sich aber bei Weitschüssen um 300 Meter auszuwirken, wie die Werte für die gängigen Kaliber 7 x 64 und .300 Winchester Magnum zeigen :

Flugbahn im Kaliber 7×64,
Geschoß 154 grain Norma Vo 2820 f/s

Geschoßabfall in Meereshöhe, in Klammern in 3.000 Meter Höhe, anschließend die Differenz

Meereshöhe (3.000 Meter Höhe) Differenz

50 Meter : – 1,45 cm (- 1,42 cm) + 0,03 cm
100 Meter : – 5,95 cm (- 5,84 cm) + 0,11 cm
200 Meter : -24,9 cm (-24,25 cm) + 0,65 cm
300 Meter : -60,45 cm (-56,62 cm) + 3,83 cm
350 Meter : -82,55 cm (-78,23 cm) + 4,32 cm

Flugbahn im Kaliber .300 Win. Mag.
Geschoß 200 grain Mega Lapua Vo 3018 f/s

Geschoßabfall in Meereshöhe, in Klammern in 3.000 Meter Höhe, anschließend die Differenz

Meereshöhe (3.000 Meter Höhe) Differenz

50 Meter : – 1,5 cm (- 1,47 cm) + 0,03 cm
100 Meter : – 6,25 cm (- 6,05 cm) + 0,20 cm
200 Meter : -27,03 cm (-26,01 cm) + 1,02 cm
300 Meter : -65,76 cm (-61,77 cm) + 3,99 cm
350 Meter : -93,32 cm (-86,41 cm) + 6,91 cm

Man sieht also, daß die Höhendifferenz im gängigen Kaliber 7 x 64 auf 100 Meter lediglich einen Hochschuß, von minimalen drei Millimetern, auf 200 Meter von 65 Millimetern und auf 300 Meter von knapp vier Zentimetern ausmacht. Im Magnumkaliber .300 Winchester Magnum ergeben sich fast die gleichen Werte wie im Standardkaliber. Man muß daher in höheren Lagen sein Gewehr nicht neu einschießen oder größere Abweichungen der TPL berücksichtigen.

Einen sicheren Überblick über die verschiedenen Haltepunkte im gewählten Kaliber unter dem komplizierten Zusammenspiel unterschiedlicher Einflüsse von Winkel und Seitenwind im Berg geben preisgünstige Computerprogramme aus den USA oder entsprechende Ballistikbücher. Ganz vorzüglich, aber etwas umständlich ist auch das für 50 Mark von der DEVA angebotene simul23 Programm.
Bei den oben angeführten Berechnungen wurden die Programme “Ballistx” und “Barnes Ballistik” verwendet.
Um aus seinem Kaliber bei der Bergjagd die höchste Leistung bei gelegentlich nötigen, weiten Schüssen herauszukitzeln, kann man mit schwereren Geschossen und unterschiedlichen Ladungen seines Kalibers experimentieren. Wer nicht selber laden kann, findet sicher einen hilfsbereiten, befreundeten oder kommerziell interessierten Wiederlader.
Aber Achtung bei Seitenwind: Schwere Geschosse sind wegen ihrer verlängerten Flugzeit windempfindlicher als leichte.
Selbst das gleiche Geschoß wird mit verschiedenen Pulverladungen, Pulver- und sogar Zündhütchensorten unterschiedliche Präzision bringen. So gaben beim Laden des 200 grain Mega Geschosses im Kaliber .300 Win Mag die Ladungen Streukreise von Armlänge bis zu 1,5 Zentimeter. Überraschend war, daß die höchste Pulverladung mit einer gepfefferten Vo von 920 m/sec die beste Präzision brachte.

Außerdem reagiert jeder Lauf auf eigene Weise. Eine Ladung, die mit einem bestimmten Geschoß bei einer anderen Waffe beste Präzision bringt, kann bei Ihrem Gewehr streuen wie eine Gießkanne.
Die Kombination von Gewehr, Kugel und Ladung, die gute Präzision auf 100 Meter bringt, sollte man auch in der Praxis auf Schußentfernungen bis 300 Meter, sowie möglichst auch in der Höhe unter den dortigen ballistischen Bedingungen testen.

PRAXISTIP : TREFFPUNKTHILFE

Auf den Kolben kann man eine Plakette mit den Treffpunktänderungen beim Winkelschuß kleben und bei Bedarf ablesen. Übt man die Haltepunkte auf einigen Jagden auf markante Landschaftspunkte, hat man die Werte im Kopf und kann die Tabelle vom Schaft entfernen.

PRAXISTIP : WINKELSCHÄTZUNG

Um die annähernde Gradzahl steiler Winkel zu schätzen, muß man sich diese vor Augen führen und üben. Man zeichnet sich auf den Sitzfilz die Gradeinteilung von einem Winkelmaß ab. Den herabhängenden Gewehrriemen nimmt man als Anhaltspunkt für die Senkrechte und kann nun beim Halten des Sitzfilzes hinter den Lauf genau die Winkelzahl ablesen. Hat man das einige Mal geübt, kann man ziemlich genau den Schußwinkel zur Waagerechten schätzen.

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